Kann man Gut und Böse haarscharf unterscheiden? Kann das Gute böse sein, oder das Böse gut? Das sind nur zwei der Fragen, die uns im Rahmen des Fausts beschäftigen. Da es ein sehr anspruchsvolles Ziel ist, diese Fragen in einem kurzen Projekt zu beantworten, haben wir uns entschieden zumindest ein Annäherungsversuch zu unternehmen: Wir erläutern in diesem Beitrag den Gut-Böse-Konflikt im Faust 1!
Als Leitzitat dafür nehmen wir jenes, mit welchem Mephisto sich selbst sehr treffend beschreibt: „Der Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“
Zum besseren Verständnis haben wir die elementaren Szenen nachgespielt.
1.Szene: Hexenküche (Faust: S. 71, Z. 2519- S.73, Z.2538),
Mephisto sorgt dafür, dass Faust verjüngt wird.
Hexe: Was führt euch her zu mir Mephisto, mein Herr?
M: Ich möchte dich um einen Verjüngungstrank für meinen Freund Faust bitten! Hast du was da?
H: Für dich doch immer! (leise) Aber du weißt, dass es nicht jeder so gut verträgt, nicht?
M: Ach was! Der verträgt viel! Gib ihm ein volles Glas!
(Faust wird wiederwillig von M. und H. in den Kreis gezogen, den die Hexe vorher gezeichnet hat.)
H: (Zauberspruch) Du musst verstehn! – Das ist das Hexen-Einmaleins.
F: Sicher, dass die bei klarem Verstand ist?
M: Lass es einfach über dich ergehen, die Irren muss man nicht verstehen!
H: Die hohe Kraft – Er hat sie ohne Sorgen.
F: Das ist unsinnig! Sie ist mir unheimlich!
M: Das reicht jetzt Hexe, gib ihm einfach den Trank!
(H. schenkt mit vielen Gesten den „Trank“ ein. Faust trinkt ihn verängstigt)
H./M.: Mag euch das Schlückchen wohl behagen / Nur frisch hinunter! Immer zu!
F: Nun kann ich mein Mädchen endlich verführen!
Erläuterung
Vielleicht ist es nicht klar, worin in dieser Szene der Gut Böse Konflikt herrscht. Deshalb jetzt die Erläuterung.
Faust wird in dieser Szene von einer Hexe verjüngt. Das an sich ist schon böse, da die Hexen immer als Teufelsverbündete galten. So auch hier. Denn die Hexe ist eine Freundin Mephistos. Aber das ist noch nicht alles! Faust widerspricht in dem Verjüngungsakt nämlich auch in direktem Wege Gott, da er den von Gott bestimmten Lebenslauf nicht akzeptiert. Trotzdem endet alles in etwas Gutem, Göttlichem. Nämlich in der Liebe. Und wie sagt man so schön: „Gott ist Liebe“.
2. Szene: Am Abend (Faust: S.76, Z.2683- S.79, Z.2796),
Mephisto hilft Faust ins Haus von Gretchen.
Mephisto: Hier wohnt Gretchen. Hinein mit dir.
Faust: Ich will das auf eigene Faust machen!
Mephisto: Ich warte vor der Tür. (geht)
Faust: Hier ist sie also aufgewachsen. (seufzt) Hier soll auch der Ort sein, in der unsere leidenschaftliche Beziehung aufblüht. Also soll ich jetzt wirklich hier die Kette verstecken?
Mephisto: (kommt) Beeil dich. Die Eigentümer kommen! Hast du die Kette? Stell es ihr in den Schrein! Sie wird sich Hals über Kopf in dich verlieben!
Faust: Ich vertraue dir! (geht zum Schrein, lächelt , stellt das Geschenk hinein und schließt ab)
Mephisto: Schnell raus hier.
(Faust und Mephisto verlassen das Haus, Gretchen betritt die Stube und öffnet den Schrein )
Gretchen: Woher kommt diese bezaubernde Kette? Es ist wunderschön…
(hängt es um den Hals und tritt vor den Spiegel)
Erläuterung
In dieser Szene geht Faust mithilfe Mephistos in das Haus von Gretchen, um sie durch die mysteriöse Kette zu verführen. Dies gilt aber eigentlich als Einbruch! Also eigentlich ganz passend für den Teufel. Auch Mephistos Absicht ist teuflisch: Er will Faust mithilfe dessen Verlangen nach Gretchen verderben, indem er beider Reinheit beschmutzt. Aber seine Tat endet in der ersten Instanz eigentlich in etwas Gutem: In Liebe.
3.Szene: Kerker,
Mephisto und Faust wollen Gretchen aus dem Kerker befreien.
F: Gretchen! Ich bin gekommen, um dich zu retten!
G: Der Henker ist jetzt schon da! Ich bin doch noch zu jung zum sterben, lass mich in Ruh! (laut, verwirrt)
F: Gretchen, Gretchen! Du weckst noch alle! Sei doch leise!
G: Diese liebliche Stimme ist mir bekannt! Ich habe ihn so vermisst, möchte ihm nur noch um den Hals fallen!
F: Ich bin’s!
G: Du bist’s! O sag es noch einmal! (Ihn fassend) Ich bin gerettet!
F: Komm mit, Komm mit! (mit den Händen wedelnd)
G: Warte, ich habe dich so vermisst!
F: Beeile dich! (verzweifelt)
G: Küss mich!..hab ich dir denn gar nicht gefehlt?
F: Ich liebe dich, nur bitte folge mir!
G: Hast du keine Angst vor mir? Weißt du wen du hier befreist?
F: Komm, Komm! Es dämmert gleich!
G: Ich habe meine Mutter umgebracht! Und mein Kind – unser Kind!
F: Lass das Vergangene vergangen sein. Ich bitte dich!..Komm einfach mit!
G: Dahinaus?
F: Ins Freie!
G: Da lauert der Tod! Von hier kann ich nur ins Grab – und keinen Schritt weiter! Du gehst fort? Ach, könnt ich nur mit!
F: Du kannst! So wolle nur!
G: Ich darf nicht fort, für mich ist nichts zu hoffen. Sie lauern mir auf!
F: Dann bleib ich bei dir!
G: Schnell, Schnell, rette dein Kind! Den Bach hinauf und über den Steg, in den Wald hinein und am Teich. Es zappelt noch, rette es!
F: Besinne dich doch! Noch ein Schritt und du bist frei!
G: Rette es, Rette! Sowie meine Mutter! Rette sie, rette!
F: Muss ich dich halt tragen!
G: Fass mich nicht so grob an, lass mich!
F: Es wird hell…
M: Los! Ihr zagt zu lange! Rettet euch jetzt oder ihr seid verloren!
G: Der! Der! Schick ihn fort! Er will mich!
F: Du sollst leben!
G: Gericht Gottes, dir habe ich mich übergeben!
M: Komm jetzt, komm! (zerrt Faust)
G: Dein bin ich Vater! Rette mich! Ihr Engel! Heinrich, mir grauts vor dir!
M: Sie hat sich entschieden! (zu Faust) Her zu mir!
Erläuterung
Diese Szene ist die Abschlussszene des Faust 1 und damit die wichtigste für unsere Problematik.
Auch wenn Fausts Absicht, die Rettung Gretchens, eigentlich lobenswert ist, verstößt er doch gegen das Gesetz. Außerdem rechnet Mephisto insgeheim damit, dass auch Gretchen sich wegen ihrem Liebsten Faust für den Teufel entscheidet. Doch eben durch sein Auftauchen taucht Gretchen aus ihrem Irrsinn auf und entscheidet sich in diesem lichten Moment für Gott – und nicht für Mephisto. Sogar Faust wankt in seiner Entscheidung, ob er nun Gretchen, und somit Gott verlässt oder weiter Mephisto folgt. Also war die Absicht Mephistos, als er Faust und mit ihm auch Gretchen mit sich nehmen wollte abgrundtief böse, doch endete in der Entscheidung Gretchens für Gott.